Das Arbeitnehmererfinderrecht regelt die Rechte und Pflichten von Arbeitnehmern und Arbeitgebern im Umgang mit Diensterfindungen. Hierbei spielen korrekte Abläufe, Fristen und Dokumentationen eine zentrale Rolle. Die folgenden Punkte geben eine umfassende Erläuterung des Prozesses unter Einbindung relevanter Rechtsprechung und der Aufgaben von Anwälten.
1. Erfindungsmeldung durch den Arbeitnehmer
- Pflicht zur Meldung: Der Arbeitnehmer muss eine potenzielle Diensterfindung unverzüglich und schriftlich gemäß § 5 Abs. 1 des Gesetzes über Arbeitnehmererfindungen (ArbNErfG) melden.
- Inhalt der Meldung:
- Beschreibung der Erfindung.
- Technische Problemlösung.
- Beitrag des Arbeitnehmers.
- Falls relevant: Mitwirkung weiterer Personen.
Beispiel:
Ein Ingenieur in einem Maschinenbauunternehmen entwickelt eine neue Vorrichtung zur Energieeinsparung bei Motoren. Er reicht eine schriftliche Meldung ein, in der er die Funktionsweise, technischen Details und den Nutzen der Erfindung beschreibt.
Rechtsprechung:
- BGH, Urteil vom 14. Februar 2017, X ZR 64/15: Eine Erfindungsmeldung per E-Mail ohne Unterschrift kann ausreichen, wenn sie den gesetzlichen Anforderungen genügt.
2. Reaktion des Arbeitgebers
- Prüfung der Erfindung: Der Arbeitgeber hat vier Monate Zeit, die Erfindung auf ihre Schutzfähigkeit und betriebliche Relevanz zu prüfen (§ 6 Abs. 2 ArbNErfG).
- Inanspruchnahme oder Freigabe:
- Inanspruchnahme: Der Arbeitgeber erklärt schriftlich die Inanspruchnahme der Erfindung und übernimmt die Rechte (§ 6 Abs. 1 ArbNErfG).
- Freigabe: Falls keine Inanspruchnahme erfolgt, geht die Erfindung automatisch auf den Arbeitnehmer über (§ 6 Abs. 2 ArbNErfG).
Beispiel:
Ein Pharmaunternehmen erhält eine Erfindungsmeldung zur Entwicklung eines neuen Medikaments. Nach Prüfung der Marktchancen entscheidet es sich, die Erfindung in Anspruch zu nehmen und ein Patent anzumelden.
Rechtsprechung:
- BGH, Urteil vom 27. Juli 2021, X ZR 61/20: Der Arbeitnehmer hat keinen Anspruch auf Übertragung der Rechte, wenn er die Frist zur Geltendmachung seiner Ansprüche auf eine nicht genutzte Erfindung versäumt.
3. Vergütungsregelung
- Grundsatz: Der Arbeitnehmer hat Anspruch auf eine angemessene Vergütung (§ 9 ArbNErfG).
- Berechnung:
- Abhängig von der wirtschaftlichen Verwertung der Erfindung.
- Berücksichtigung des Anteils des Arbeitnehmers an der Erfindung.
- Nutzung innerhalb des Unternehmens oder am Markt.
Beispiel:
Ein IT-Entwickler erstellt einen Algorithmus, der als Schlüsseltechnologie in einem neuen Produkt verwendet wird. Das Unternehmen erzielt damit hohe Gewinne. Der Entwickler erhält einen prozentualen Anteil des wirtschaftlichen Ertrags als Vergütung.
Rechtsprechung:
- LG Düsseldorf, Urteil vom 2015, 4a O 154/14: Arbeitnehmer haben Anspruch auf Auskunft über die Nutzung ihrer Erfindung, um die Vergütung berechnen zu können.
4. Rolle des Schlichtungsausschusses
Wenn Streitigkeiten über die Erfindung oder die Vergütung entstehen, können die Parteien den Schlichtungsausschuss beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) anrufen (§ 29 ArbNErfG).
- Verfahren:
- Einreichung eines Antrags durch Arbeitnehmer oder Arbeitgeber.
- Schriftliche Stellungnahmen beider Parteien.
- Schlichtungsvorschlag durch den Ausschuss.
Beispiel:
Ein Arbeitnehmer fordert eine höhere Vergütung, da die Erfindung international erfolgreich vermarktet wird. Der Arbeitgeber lehnt ab und verweist auf geringe Entwicklungsbeteiligung. Der Fall wird an den Schlichtungsausschuss übergeben.
Rechtsprechung:
- BGH, Urteil vom 22. Januar 2008, X ZR 10/06: Entscheidungen des Schlichtungsausschusses sind nicht bindend, können jedoch als Grundlage für spätere Gerichtsverfahren dienen.
5. Vertragsmöglichkeiten
- Vorabvereinbarungen: Arbeitgeber und Arbeitnehmer können Vereinbarungen zur Vergütung und Nutzung der Erfindung treffen, um spätere Streitigkeiten zu vermeiden.
- Vertraulichkeitsvereinbarungen: Schutz sensibler Informationen bis zur Patentanmeldung.
- Freigabevereinbarungen: Regelung für die Nutzung von Erfindungen, die vom Arbeitgeber nicht in Anspruch genommen werden.
Beispiel:
Ein Unternehmen vereinbart mit einem Entwicklerteam eine Bonusregelung für patentierbare Technologien, die den Innovationsprozess fördert und klare Vergütungsschemata vorgibt.
Aufgaben von Anwälten für Arbeitgeber und Arbeitnehmer
- Für Arbeitgeber:
- Beratung zur Einrichtung eines Erfindungsmanagementsystems.
- Unterstützung bei der Prüfung und Inanspruchnahme von Erfindungen.
- Erstellung von Mustern für Erfindungsmeldungen und Vergütungsvereinbarungen.
- Vertretung vor dem Schlichtungsausschuss oder in Gerichtsverfahren.
- Für Arbeitnehmer:
- Unterstützung bei der Erstellung formgerechter Erfindungsmeldungen.
- Durchsetzung von Vergütungsansprüchen.
- Prüfung von Freigabe- und Übertragungsentscheidungen.
- Vertretung im Schlichtungsverfahren oder vor Gericht.
Fristen und Dauer im Überblick
- Erfindungsmeldung: Unverzüglich nach Entwicklung der Erfindung.
- Prüfungsfrist des Arbeitgebers: 4 Monate (§ 6 Abs. 2 ArbNErfG).
- Freigabeanspruch: Innerhalb von 3 Monaten nach Freigabe durch den Arbeitgeber (§ 16 Abs. 2 ArbNErfG).
- Schlichtungsverfahren: Keine festen Fristen, üblicherweise 6–12 Monate.
Durch eine korrekte Handhabung der Erfindungsmeldung und eine rechtssichere Gestaltung der Vergütung können Streitigkeiten vermieden und die Interessen beider Parteien gewahrt werden.